Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie

hg. von Dr. Anton Holzer

Babett Forster

Reisefotografien als Sammelobjekte des 19. Jahrhunderts. Die Alphons-Stübel-Sammlung früher Orientfotografien 1857–1896

Veröffentlichungsform: Dissertation – Institution: Friedrich-Schiller-Universität Jena, Kunsthistorisches Seminar, Institut für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients, Prof. Dr. Dieter Blume, HDoz. Dr. Stefan Heidemann – Einreichung/vorauss. Abschluss: Dezember 2008/März 2009 – Art der Finanzierung: Landesgraduiertenförderung – Kontaktadresse: Babett.Forster(at)uni-jena.de

Erschienen in: Fotogeschichte 110, 2008

In der foto- und kunstgeschichtlichen Forschung haben sammlungsgeschichtliche Perspektiven auf die Fotografie des 19. Jahrhunderts bis jetzt nur wenig Beachtung gefunden.

Als gegen Ende des 19. Jahrhunderts durch den technisch-historischen Blick auf das Medium fotografische Bilder zu Museumsobjekten avancierten, waren Fotografien bereits in privaten Sammlungen zusammengetragen worden, die naturgemäß im Vergleich zu institutionellen Ansprüchen anderen Bedürfnissen folgten.

Eine dieser privaten Fotosammlungen ist die Alphons-Stübel-Sammlung früher Orientfotografien am Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der Universität Jena aus dem Besitz des deutschen Forschungsreisenden Alphons Stübel, der diese während seiner Reisen, Forschungsaufenthalte und zu anderen Gelegenheiten zusammengetragen hatte. Es handelt sich um 585, meist großformatige Papierabzüge, die auf Untersatzkartons montiert und auf der Kartonrückseite mit handschriftlichen Notizen versehen sind. Die Fotografien zeigen Ansichten aus Ägypten, Palästina, Türkei, Syrien, Jordanien, Libanon, Saudi Arabien sowie einige aus Griechenland und Italien. Neben den kommerziellen Fotostudios der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind etliche Aufnahmen weniger bekannter Fotografen vertreten, darunter seltene Kalotypien und Salzpapierabzüge aus den 1850er Jahren.

Mit der Jenaer Sammlung liegt ein vorzüglich erhaltener Bildbestand vor, der aufgrund seiner frühen Entstehung und seines kontinuierlichen Ausbaus profunde Einblicke in Sammlungsprinzipien ermöglicht. Genese und Struktur der Sammlung lassen sich durch die Fotografien, die Sammlernotizen und die Biografie Stübels rekonstruieren.

Der aus Dresden stammende Geograf Moritz Alphons Stübel (1835-1904) war als Zeitgenosse des frühen 19. Jahrhunderts von zwei Wissenschaftstraditionen beeinflusst. Als Forschungsreisender und Wissenschaftler arbeitete er hauptsächlich in den noch jungen Fachgebieten der Geologie und kann somit Repräsentant der im 19. Jahrhundert einsetzenden Ausdifferenzierung der Wissenschaften gelten. Gleichzeitig war er mit seinen archäologischen und ethnologischen Arbeiten noch dem Ideal des Universalgelehrten verpflichtet. Seine Stiftung einer Abteilung für vergleichende Länderkunde im damaligen Museum für Völkerkunde Leipzig erfüllte zudem das bürgerliche Bedürfnis nach gemeinnützigem Handeln und Wissensvermittlung. Stübel fotografierte nur selten selbst, schuf aber auf seinen Forschungsreisen Panorama- und Reliefzeichnungen und ließ für seine Ausstellungskonzeption Landschaftsbilder malen. Die Verwendung unterschiedlicher Bildmedien charakterisiert ihn als ausgeprägt visuell orientierten Gelehrter.

Die mediale Bildung des Sammlers fordert einen bewussten Umgang mit dem Bild. Das Sammeln folgt dem Prinzip der Auswahl und damit der Entscheidung für oder gegen ein Objekt. Zwar lag den kommerziellen Reisefotografien ein thematisch prädestinierter Bildbestand zu Grunde, der sich von fotografischen Raritäten in den frühen Jahren zu einem Überangebot gegen Ende der zweiten Jahrhunderthälfte entwickelte. Dennoch traf Stübel zunächst als Käufer seine Entscheidungen hinsichtlich Format und Sujet und überführte durch zielgerichtete Auswahl der Reisefotografien aus dem angebotenen Bildmaterial die Bilder als Sammlungsobjekte in seine Kollektion. Aus diesem Handlungsmuster lassen sich Gebrauch und Funktion der Fotosammlung ablesen, so dass eine sammlungsgeschichtliche Einordnung der Stübelschen Fotosammlung gegeben werden kann.

Literatur: Babett Forster: Fotografien als Sammlungsobjekte im 19. Jahrhundert. Die Alphons-Stübel-Sammlung früher Orientfotografien, VDG Verlag, Kromsdorf/Weimar, 2013 (http://www.vdg-weimar.de/katalog/?id=729)

Letzte Ausgaben

 

Hefte ab 150 | Siehe auch: Themen- und Stichwortsuche | Hefte und Einzelbeiträge aus dem Archiv auch als PDF bestellbar.

171

Verletzte Bilder

Anton Holzer, Elmar Mauch (Hg.)

Heft 171 | Jg. 44 | Frühjahr 2024

 
170

Mehr als ein Raum

Das fotografische Atelier: Kunst, Geschäft, Industrie

Anne Vitten (Hg.)

Heft 170 | Jg. 43 | Winter 2023

 
169

Vom Lichtbild zum Foto

Zur westdeutschen Fotoszene der 1950er Jahre

Clara Bolin (Hg.)

Heft 169 | Jg. 43 | Herbst 2023 

 
168

Kritik der Autorschaft

Fotografie als kollektives Unternehmen

Paul Mellenthin (Hg.)

Heft 168 | Jg. 43 | Sommer 2023 

 
167

Artist Meets Archive

Künstlerische Interventionen im fotografischen Archiv

Stefanie Diekmann, Esther Ruelfs (Hg.)

Heft 167 | Jg. 43 | Frühjahr 2023 

 
166

Schreiben über Fotografie II

Steffen Siegel, Bernd Stiegler (Hg.)

Heft 166 | Jg. 42 | Winter 202

 
165

Erinnerung, Erzählung, Erkundung

Fotoalben im 20. und 21. Jahrhundert

Bernd Stiegler, Kathrin Yacavone (Hg.)

Heft 165 | Jg. 42 | Herbst 2022

 
164

Zirkulierende Bilder

Fotografien in Zeitschriften

Joachim Sieber (Hg.)

Heft 164 | Jg. 42 | Sommer 2022

 
163

Black Box Colour

Kommerzielle Farbfotografie vor 1914

Jens Jäger (Hg.)

Heft 163 | Jg. 42 | Frühjahr 2022

 
162

Den Blick erwidern

Fotografie und Kolonialismus

Sophie Junge (Hg.)

Heft 162 | Jg. 41 | Winter 2021

 
161

Norm und Form

Fotoalben im 19. Jahrhundert

Bernd Stiegler, Kathrin Yacavone

Heft 161 | Jg. 41 | Herbst 2021

 
160

Keepsake / Souvenir

Reisen, Wanderungen, Fotografien 1841 bis 1870

Herta Wolf, Clara Bolin (Hg.)

Heft 160 | Jg. 41 | Sommer 2021

 
159

Weiterblättern!

Neue Perspektiven der Fotobuchforschung

Anja Schürmann, Steffen Siegel (Hg.)

Heft 159 | Jg. 41 | Frühjahr 2021

 
158

Die Zukunft der Fotografie

Anton Holzer (Hg.)

Heft 158 | Jg. 40 | Winter 2020 

 
157

Fotogeschichte schreiben. 40 Jahre Zeitschrift Fotogeschichte

Anton Holzer (Hg.)

Heft 157 | Jg. 40 | Herbst 2020 

 
156

Aquatische Bilder. Die Fotografie und das Meer

Franziska Brons (Hg.)

Heft 156 | Jg. 40 | Sommer 2020 

 
155

Wozu Gender? Geschlechtertheoretische Ansätze in der Fotografie

Katharina Steidl (Hg.)

Heft 155 | Jg. 40 | Frühjahr 2020

 
154

Protestfotografie

Susanne Regener, Dorna Safaian, Simon Teune (Hg.

Heft 154 | Jg. 39 | Winter 2019

 
153

Fotografie und Text um 1900

Philipp Ramer, Christine Weder (Hg.)

Heft 153 | Jg. 39 | Herbst 2019

 
152

Fotografie und Design

Linus Rapp,  Steffen Siegel (Hg.)

Heft 152 | Jg. 39 | Sommer 2019

 
151

Nomadic Camera

Fotografie, Exil und Migration

Burcu Dogramaci, Helene Roth (Hg.)

Heft 151 | Jg. 39 | Frühjahr 2019

 
150

Polytechnisches Wissen

Fotografische Handbücher 1939 bis 1918

Herta Wolf (Hg.)

Heft 150 | Jg. 38 | Winter 2018