Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie

hg. von Dr. Anton Holzer

Wolfgang Hesse

Das Auge des Arbeiters

 

Forschungsprojekt: Praxis, Überlieferung und Rezeption der Arbeiterfotografie als Amateurbewegung in der Medienmoderne am Beispiel Sachsens – Institut für sächsische Geschichte und Volkskunde e.V., Dresden, Bereich Volkskunde, Leitung Prof. Dr. Manfred Seifert – Beginn: Februar 2009; Ende: Januar 2010 – Art der Finanzierung: Deutsche Forschungsgemeinschaft – Kontaktadresse: wolfgang.hesse(at)mailbox.tu-dresden.de.

 

 

Erschienen in Fotogeschichte 114, 2009

 

Ungeachtet einiger v.a. in den 1970er und 1980er Jahren vorgelegten Publikationen ist die bild- und rezeptionsorientierte Erforschung der Arbeiterfotografie immer noch ein Desiderat. Die Perspektivverlagerung von der Partei- zur Alltagsgeschichte der Arbeiterbewegung einerseits, andererseits die gegenwärtige Entwicklung neuer Formen „amateurischer“ Kulturen im Internet hat neue Fragen und neue Aufmerksamkeiten hervorgebracht. Die Untersuchung „Das Auge des Arbeiters“ erweitert somit die bisher vorrangig eingenommene Perspektive der politischen Geschichte, der Pressegeschichte und der sachthemenzentrierten Rezeption um die fotohistorische Dimension. Das Forschungsprojekts richtet das Augenmerk auf mehrere, miteinander verbundene Modernisierungserscheinungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts: die Entwicklung der Amateurfotografenbewegung, gerade auch im proletarischen Milieu; den enormen Aufschwung der illustrierten Presse und eine zunehmend medienbewusste politische Propaganda der Arbeiterparteien, insbesondere der KPD: Die Gründung der „Vereinigung der Arbeiter-Fotografen Deutschlands“ (VdAFD) im Jahr 1926 sollte aus der Sicht der leitenden Funktionäre v.a. für parteinahe Periodika Bilder aus dem Alltag und den politischen Kämpfen der Weimarer Republik erbringen. Das Forschungsprojekt wird in einer gewissermaßen mikroskopischen Herangehensweise exemplarisch die insgesamt etwa 20 sächsischen Ortsgruppen der VdAFD nach ihren Bildbeständen und Archivalien sowie in Hinblick auf ihre Publikationen erschließen. Einige von ihnen gehörten zu den aktivsten des Reichs (Dresden, Freital, Leipzig, Bermsgrün) und sind in ihrem Bildbestand vergleichsweise gut überliefert. Gerade angesichts der Materiallage, die unmittelbare Äußerungen ‚einfacher’ Parteimitglieder wegen der Mündlichkeit ihrer Kultur und der Selektionsmechanismen der schriftlichen Überlieferungsbildung nur in seltensten Fällen kennt, stellen diese Bildbestände eine nahezu unikale Quelle zum Selbstverständnis proletarischer Aktivitäten der Weimarer Republik dar – und dass deren Praxis in den Interessen der Funktionäre aufging, ist anzuzweifeln: Somit stellt die Rekonstruktion von (fotografierendem) Alltagshandeln mit seinen widersprüchlichen Haltungen und Erwartungen ein zentrales Thema des Projekts dar. Dabei ist gerade in Sachsen die Verbreitung der Aktivitäten in Ortschaften ganz unterschiedlicher Größe und Struktur bemerkenswert: Ortsgruppen bzw. Ortsgruppeninitiativen sind nachgewiesen in Dörfern, Klein- und Mittelstädten und den Großstädten Chemnitz, Dresden und Leipzig, außerdem in Bermsgrün, Brand-Erbisdorf, Burghardtsdorf, Falkenstein, Freital, Grimma, Heidenau, Johanngeorgenstadt, Limbach, Lößnitz, Neugersdorf, Planitz, Thalheim, Weißwasser, Zittau, Zschopau und Zwickau. (Zusätzlich sind in Sachsen in Plauen und Torgau Bestände aus Hannover bzw. Halle/S. überliefert, die unter sammlungshistorischen Gesichtspunkten ebenfalls im DFG-Projekt berücksichtigt werden sollen.) In einer Auswahl der genannten Orte werden Archivrecherchen die soziokulturellen Milieus und Profile der handelnden Personen erbringen. Gerade den umfangreichen Beständen des Museums für die Geschichte der Arbeiterbewegung im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig sowie drei Nachlässen in der Deutschen Fotothek Dresden kommt aufgrund ihrer Genese im Zusammenhang der Traditionsbildung der DDR wie auch in der Vielfalt fotografischer Bildleistungen besondere Bedeutung zu. Im Projektverlauf werden sie in die Datenbanken der Institutionen eingearbeitet und stehen damit  interessierten Nutzern zur Verfügung. In der interdisziplinären Arbeit des Projekts (Fotogeschichte, Geschichte, Volkskunde) sollen einerseits die lebensweltlichen Milieus rekonstruiert und andererseits fotohistorisch die Praxis der Herstellung und Distribution der Aufnahmen selbst sowie in ikonografischer und stilhistorischer Perspektive der Realitätsbezug, die Traditionslinien und das utopische Potential der Bilder herausgearbeitet werden. Zugleich erfolgt mit der Forschung auch ein Beitrag zur regionalen Arbeiterbewegungsgeschichte Sachsens – die durch erstmalige Recherchen in Moskauer Archiven auch auf ihre Beziehungen zur Sowjetunion hin untersucht wird. Außer Veröffentlichungen von Beiträgen der Projektmitarbeiter (Wolfgang Hesse, Sylvia Metz, Ursula Schlude, Carsten Voigt) in verschiedenen Publikationsorganen sind für das Frühjahr 2010 eine Tagung in Dresden (mit Tagungsband) und für das Frühjahr 2011 eine Ausstellung in Leipzig (mit Katalog) geplant.

 

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