Steffen Siegel, Bernd Stiegler
Schreiben über Fotografie II
Editorial
Erschienen in: Fotogeschichte, Heft 166, 2022
Es war gewiss ein ungewöhnliches Unternehmen, als wir vor fünf Jahren ein Themenheft der Zeitschrift Fotogeschichte (Heft 145, 2017) herausgaben, das uns selbst – den Forscherinnen und Forschern – gewidmet war. Für dieses eine Mal sollten nicht die sonst üblichen Fragen nach Geschichten und Theorien zur Fotografie im Mittelpunkt stehen, sondern vielmehr jene Autorinnen und Autoren, die aus einer Vielzahl von Perspektiven das faszinierende Feld der Fotogeschichte vermessen. Leicht hätte man ein solches Anliegen, das wir mit „Schreiben über Fotografie“ verbanden, als eine etwas eitle Nabelschau missverstehen können. Zählen nicht vorderhand die Entdeckungen und Einsichten, die in den Texten zusammengetragen werden; bestenfalls aber erst in zweiter Instanz jene, die diese Texte schreiben? Das ist gewiss richtig. Zugleich aber stimmt auch, dass alle Erkenntnis von Interessen geleitet ist; und solche Interessen lassen sich nur schwer von den Akteurinnen und Akteuren trennen. Daher also waren wir überzeugt, dass es sich lohnt, einmal den Blick auf uns selbst zu richten.
Dennoch hat uns die große Resonanz, die unser Themenheft gefunden hat, überrascht. In einer Vielzahl von Zuschriften und auch in persönlichen Gesprächen wurde bekräftigt, mit welcher Neugierde, aber auch mit welchem Gewinn die Antworten auf unsere Fragen gelesen wurden. Zu verdanken hatten wir dies natürlich vor allem unseren drei Interviewpartnerinnen und -partnern: Monika Faber, Peter Herzog und Wolfgang Kemp sowie jenen insgesamt dreizehn Kolleginnen und Kollegen, die auf unseren fünfteiligen Fragenkatalog reagierten. Diese Reaktionen haben uns darin bestärkt, dass wir das seinerzeit geübte Muster zu gegebener Zeit noch einmal aufgreifen und wiederholen sollten. Und sehr freuen wir uns, dass der langjährige Herausgeber dieser Zeitschrift, Anton Holzer, uns in diesem Anliegen sofort bestärkte. Hierfür möchten wir ihm auf diesem Weg herzlich danken!
2017 kamen in den drei Interviews eine Kuratorin, ein Sammler und ein Wissenschaftler zu Wort. Aber keine dieser Bezeichnungen ist wirklich geeignet, die ganze Breite an Kompetenzen und Interessen zu erfassen, die diese drei Gesprächspartnerinnen und -partner jeweils auszeichnet. Auch dieses Mal stimmt diese Beobachtung: Mit Ute Eskildsen, Manfred Heiting und Abigail Solomon-Godeau haben wir einen ganz ähnlichen Dreiklang an Stimmen für den Auftakt des Heftes gewinnen können; und auch sie sind jeweils nur schwer mit einer einzigen professionellen Rolle beschrieben. Wichtig war es uns vielmehr, gerade das Ineinander der verschiedenen Felder des Fotografischen zur Darstellung zu bringen. Dabei wollten wir in unseren Gesprächen insbesondere auch jenen Problemen nachspüren, die sich für die alltägliche Arbeit im Umgang mit der Fotogeschichte ergeben. Auf diese Weise steht neben der Würdigung von drei wegweisenden Lebensleistungen immer auch der kritische Blick auf das, was noch immer als Aufgabe an eine interdisziplinäre Fotoforschung gegeben ist.
Im zweiten Teil des Heftes haben wir die bereits 2017 gestellten fünf Fragen ohne Veränderung wieder aufgegriffen, um so ein bestimmtes Maß an Kontinuität und Vergleichbarkeit zu erreichen. Wir verbanden mit diesem Fragebogen die Einladung, in kurzen Hinweisen die Voraussetzungen des eigenen wissenschaftlichen Handelns zu reflektieren und kritische Schlaglichter zu formulieren: auf Hürden und blinde Flecken, Versäumnisse oder auch Überbetontes.
Ohne dass die nun 26 Stimmen, die wir über die beiden Themenhefte hinweg versammelt haben, einen Anspruch auf Repräsentativität oder gar Vollständigkeit erheben können, lassen sich dennoch Akzente ablesen, die in einer Vielzahl von Antworten auf ähnliche Weise gesetzt worden sind: zum Beispiel das Insistieren auf einer Fotoforschung, die sich nicht von einer bestimmten akademischen Disziplin dominieren lässt oder die Forderung nach einer noch stärkeren Öffnung dieses Feldes für eine wirklich global vernetzte Bildgeschichte; und nicht zuletzt gehört hierzu auch ein immer wieder formuliertes Bedauern, dass Forschung, die nicht auf Englisch publiziert worden ist, international zu wenig rezipiert wird. Gerade dies aber, eine internationale wie interdisziplinäre Vernetzung, ist uns beim Aussenden des Fragebogens auch bei unserem zweiten Themenheft sehr wichtig gewesen: Zur Sprache kommen Forscherinnen und Forscher aus acht verschiedenen Ländern, die zudem in sehr unterschiedlichen akademischen Traditionen stehen und in einer Vielzahl von akademischen Kontexten arbeiten.
Nicht zuletzt lässt sich auch dieses Mal diese Diversität vielleicht am einfachsten an jenen Fotografien ablesen, die stets die fünf Antworten begleiten. Wie bei einer Bildpostkarte sollten auf diese Weise die Nachrichten dem Zusammenspiel aus Sagen und Zeigen anvertraut werden. Wir haben um ein Bild gebeten, das unseren Kolleginnen und Kollegen aus professionellen oder auch ganz persönlichen Gründen wichtig ist – im Ganzen fügen sich Texte und Fotografien zu einer kleinen, polyphon kuratierten Ausstellung auf den Seiten einer wissenschaftlichen Zeitschrift.
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