Resonanzen schaffen
Ein Gespräch mit dem Künstler, Bildforscher und Anti-Archivar Elmar Mauch
Erschienen in: Fotogeschichte, Heft 171, 2024
„Verwaisten Bildern“, so der Künstler und Bildforscher Elmar Mauch, „ist ihr Adressat abhandengekommen.“ Der herkömmlichen Fotoforschung gelten derart kontextlose Bilder meist als wertloses Restgut, mit dem nicht mehr viel anzufangen ist. Mauch hingegen setzt in seiner künstlerischen und bildanalytischen Recherche bewusst am Nullpunkt des bildlichen Vergessens an. Fotografien, die für die Nachkommen nicht mehr lesbar sind, landen am Flohmarkt. „Ich rette diese verwaisten Bilder, nehme mich ihrer an und versuche sie wieder lesbar zu machen.“ Wie genau er das macht, davon erzählt er im Gespräch auf den folgenden Seiten.
Elmar Mauchs umfangreicher Bildessay „Verletzen – Verbergen – Verschwinden“, den er eigens für die Zeitschrift Fotogeschichte konzipiert und auf den vorhergehenden Seiten dieser Ausgabe visuell ausgelegt hat, zeigt beispielhaft, wie fotografische Bilder aus dem Blickwinkel der künstlerischen Bildforschung zum Sprechen gebracht werden können. „Als bildender Künstler interessieren mich“, so Mauch, „Wahrnehmungsprozesse und wie ich in diese eingreifen kann“. Die Fotografien des vorliegenden Bildessays speisen sich aus dem „Archiv der verwaisten Bilder“. Dieses bildet das Kernstück des von Mauch 2011 in Dortmund gegründeten „Institut für künstlerische Bildforschung“ (www.ikb-bildforschung.de). Zusammengetragen hat der Künstler die vielen verlorenen und vergessenen Fotografien über viele Jahre auf Floh-, Antik- und Sammlermärkten. Für seine Publikationen und Ausstellungen schöpft er ausgewählte Bilder aus diesem Fundus, bearbeitet und befragt sie, indem er sie in neue Nachbarschaften bringt und Gegenüberstellungen erprobt, indem er Bilder kombiniert, überlagert, Details hervorhebt, isoliert oder vergrößert. Seinen Ort des Forschens und Sichtbar-Machens bezeichnet der widerspenstige Archivar als „Anti-Archiv“. Währen das herkömmliche Archiv eine „Verwahranstalt für gesicherte Werte“ sei, sieht Mauch das Anti-Archiv als einen produktiven Denk- und Arbeitsort. „Dort“, so sagt er, „entstehen aus den Archivalien neue Erzählungen.“
In seiner experimentellen Arbeit mit Bildern versucht Elmar Mauch, „unter die Oberfläche der Bilder abzutauchen und Tiefenstrukturen von Bild, Kunst und Leben sichtbar zu machen“. Er versteht sich in seiner Recherchearbeit als „Bildoperateur“. Dieser schneidet und schnipselt (wenn auch meist nur digital), untersucht, entfernt, überlagert und vernäht sein Material auf ganz unterschiedliche Weise. In der experimentellen Befragung, der neugierigen Verschränkung und der versuchsweisen Neuanordnung ergeben sich auf diese Weise ganz neue Sinnzusammenhänge. „Resonanzen“ nennt Mauch diese oft überraschenden Konstellationen, die er auf den Seiten eines Buches oder, wie hier, einer Zeitschrift, ausbreitet. „Die Stärke fotografischen Erzählens“, so bringt der Künstler sein Credo auf den Punkt, „erreiche ich erst, wenn ich in die Tiefenschichten der Fotografien vordringe. Dort verbergen sich oft zarte visuelle Details, die in Verbindung mit anderen Bildteilen einen visuellen Klang erzeugen, der im bewussten Zusammenspiel mit weiteren Bildklängen zur Partitur werden kann. Das nenne ich visuelle Poesie.“
Anton Holzer: Herr Mauch, bevor wir auf das Projekt der „verletzten Bilder“ zu sprechen kommen, eine Frage vorab: Wissen Sie eigentlich, wie viele Bilder sich in Ihrem Archiv befinden?
Elmar Mauch: Genau weiß ich das nicht. Es werden weit mehr als 100.000 sein. Dazu kommen noch Regale voll mit Alben und eine große Menge gerahmter Bilder. Was ich aber weiß, ist, dass ich davon mehr als 25.000 gescannt und in mehr als 800 Kategorien sortiert habe.
Sie verwenden den Begriff der „verwaisten Bilder“. Was sind das eigentlich, verwaiste Bilder?
Verwaisten Bildern ist ihr Adressat abhandengekommen. Das ehemals Wichtige, das visuelle Zentrum der Familie, das mit vielerlei Emotionen und Erinnerungen verknüpft war, ist für die Nachkommen nicht mehr lesbar und wird oftmals auf dem Flohmarkt entsorgt oder landet direkt in der Tonne. Ich rette diese verwaisten Bilder, nehme mich ihrer an und versuche sie wieder lesbar zu machen.
Bitte erzählen Sie kurz: Wie kommen denn die Bilder zu Ihnen? Wie wählen sie aus, was heben sie auf, was nicht?
Auf Antik- und Sammlermärkten und vor allem auf den Flohmärkten sind oft Stände von Haushaltsauflösern zu finden, die teils sortierte, meist aber unsortierte Kisten mit anonymen Alltagsfotografien dabeihaben. Diese durchforste ich Bild für Bild, teilweise stundenlang und sortiere alle Fotografien aus, von denen ich meine, dass sie erhaltenswert sind. In einem zweiten Durchgang schaue ich mit der Lupe genauer auf die Bilder und sortiere noch Einiges aus, welches diesem zweiten Blick nicht standgehalten hat. Alles was mein historisches, kulturelles und vor allem mein visuelles Interesse trifft, versuche ich zu erwerben.
Und gibt es auch Bilder, die Ihre Sammlung wieder verlassen? „Deakzession“ ist im musealen Kontext – zumindest in Europa – ein heikler, belasteter, oft schambesetzter Begriff. So als ob es ein Unrecht wäre, Bilder ab- und wegzugeben, sie wieder in den Kreislauf des Vergessens zu entlassen ...
Fotografien, die mir redundant und nicht erhaltenswürdig scheinen, nutze ich für analoge Experimente. Als bildender Künstler interessieren mich Wahrnehmungsprozesse und wie ich in diese eingreifen kann. Farbbilder aus den 1970ern, die im Zuge eines kompletten Nachlasses zu mir gekommen waren, wollte ich eigentlich ursprünglich entsorgen, habe sie dann aber mit Spraydose in höchst attraktive kleine Landschaftspreziosen verwandelt. Die kleine Serie, die aus diesen Eingriffen entstanden ist, heißt: „Kann ich helfen? Hilfsmaßnahmen zur Erhöhung des ästhetischen Potentials“. So entsteht manchmal aus vermeintlichem Ausschussmaterial Neues, Ungeahntes. Und deshalb gibt es bei mir viele Kisten mit ungescanntem Bildmaterial, auf denen notiert ist, wann ich sie das letzte Mal gesichtet habe. Denn im Laufe der Jahre kann sich natürlich auch mein Blick und mein Interesse verwandeln; plötzlich werden Fotos wichtig, die bisher unterhalb meines Wahrnehmungsradars geblieben sind. Bei dieser bewussten Gesamtverwertungder Bildersehe ich eine gewisse Verbindung zur Nose-to-Tail-Bewegung bei der das ganze Tier und nicht nur die Premiumteile verarbeitet werden.
Sie verwenden für Ihr Archiv den stacheligen Begriff des „Anti-Archivs“. Was ist das?
Klassische Archive sind Verwahranstalten für gesicherte Werte. Sie haben EINE wichtige Funktion, das Bewahren. Mir greifen die Arbeitsweisen dieser verknöcherten Archive zu kurz, ich will dem etwas entgegenstellen. Mein Anti-Archiv ist ein Denk- und Arbeitsort. Dort entstehen aus den Archivalien neue Erzählungen. Ich gehe mit einem empathischen Anliegen an die Bilder heran, versuche deren Wirkung zu ergründen und schaffe den verwaisten Bildern neue Verwandtschaften. Ich experimentiere, überlagere, konstruiere neue Zusammenhänge, und versuche, nicht zuletzt mit digitalen Mitteln, unter die Oberfläche der Bilder abzutauchen und Tiefenstrukturen von Bild, Kunst und Leben sichtbar zu machen.
Lassen Sie uns nun von den „verletzten Bildern“ sprechen. Ein wenig schwingt in dieser Formulierung mit, dass es auch unverletzte Bilder gibt, heile Bilder …
Heile Bilder finde ich z.B. in meinem Archiv unter der Kategorie „Verliebt“. Es sind oft Momentaufnahmen von positiven psychischen Zuständen. Ob ich ein Bild als heil empfinde, hängt natürlich entscheidend von meinem Standpunkt und Erfahrungshintergrund ab. Ein Foto von Tante Erna, die mich immer schlecht behandelt hat, wird in mir stets ein ungutes Gefühl erzeugen, denn es verletzt mich. Diese per Blick übertragene Empfindung ist aber für alle anderen nicht sichtbar. Die unguten Zusammenhänge zwischen Bild und Rezipient wurden dann eben teilweise in die Bilder eingeschrieben bzw. eingekratzt, d.h. eine Gegenverletzung geschaffen und sicher sind sie auch manchmal der Grund dafür, dass Familiennachlässe bewusst entsorgt werden.
Eines ist erstaunlich: Die Fotografiegeschichte und die Fototheorie haben den „verletzten Bildern“ bisher sehr wenig Aufmerksamkeit gewidmet, so als ob die Eingriffe in Bilder, ob sie nun manuell oder nicht manuell, bewusst oder nicht bewusst herbeigeführt wurden, Ausnahmeerscheinungen wären.
Die Fotogeschichtsschreibung ist an guten, richtigen, sauberen und klar kontextualisierbaren Ikonen interessiert. So wie auch in anderen Wissensgebieten werden meist ausgetretene Pfade beschritten. Souveränes experimentelles Denken vermisse ich da sehr. Bilder, Materialien und Arbeitsweisen, die aus dem gewohnten Schema fallen, überfordern, da eine Schubladisierung schwerfällt. Institutionalisiertes wissenschaftliches Vorgehen ist leider selten an Ausnahmeerscheinungen und Abseitigem interessiert.
Vielleicht sollten wir die haptischen und anderen Interventionen in Bilder thematisch etwas auffächern: Zuallererst gibt es „Eingriffe“, die sich dem fotografischen Produktions- aber auch den Alterungsprozessen verdanken.
Ja, richtig. Manche Bilder verändern sich einzig dadurch, dass sie verblassen. Die Besonderheiten, die dann teilweise sichtbar werden, sind dem Umstand geschuldet, dass die Retusche, die zum Entstehungszeitpunkt des Bildes, z.B. die Augen betonen oder Falten verschwinden lassen sollte, nicht mitverblasst ist. Die früher unsichtbare Retusche ist deshalb, 100 Jahre später, zum dominanten Bildteil geworden und zeigt die ehemals verborgenen Absichten und Eingriffe überdeutlich.
Dann gibt es Spuren des Gebrauchs, die die „heile“ Bildoberfläche im alltäglichen Gebrauch durchlöchern, ritzen, verändern. Ich denke etwa an unwillentlich herbeigeführte Risse und Knicke oder an Löcher, die von Reißnägeln stammen, aber auch Kratzer, Verunreinigungen und Fingerabdrücke gehören dazu …
Dieser scheinbar wenig sorgsame Umgang mit diesen Bildern täuscht auch manchmal. Oft sind es gerade die geliebten Fotografien die mit Reißnägeln an die Wand geheftet wurden. Weil sie so wichtig waren, wurden diese persönlichen Ikonen in Krisen- und Kriegszeiten vielfach auch direkt am Körper oder im Portemonnaie getragen. Die Verletzungen sind in diesen Fällen Zeichen einer Wertschätzung, die dem sauberen und geschützten Bild nur selten entgegengebracht wurde. Abb. 4
Es gibt aber auch „Verletzungen“, die mehr oder weniger bewusst herbeigeführt wurden: etwa, wenn eine Person oder Teile davon „gewaltsam“ aus dem Bild herausgeschnitten, wenn Augen oder andere Körperteile herausgekratzt wurden, aber auch, wenn Teile des Bildes grafisch überarbeitet, wenn in „aggressiver Weise“ mit Stift oder Farbe operiert wurde.
Bild und Emotion ist ein Thema, das mich immer schon interessiert hat. Man will nicht die ganze Szene vernichten, aber die in Ungnade gefallene Person soll sichtbar entfernt werden. Es ist ein emotionaler Akt der Auslöschung bzw. Verletzung. Ich besitze ein Album in dem die Braut, die ihren Mann kurz nach der Hochzeit verlassen hat, jedes Abbild seines Gesichtes im professionell fotografierten Hochzeitsalbum mit Kugelschreiber ausgelöscht hat.
Herr Mauch, kann man sagen, dass Sie Spuren sichern? In diesem Fall Spuren der Zeit, Spuren der Handhabung, aber manchmal auch Spuren der offenen oder versteckten Gewalt am und im Bild, wenn etwa die Person, die dargestellt ist, stellvertretend im Bild verletzt oder ausradiert wird.
Die Spurensicherung kommt im Krimi immer zuerst an den Tatort, der dann weiträumig abgesperrt wird. Bei meinen Flohmarktfunden würde ein Absperren nichts nützen, die Spuren sind verwischt, die Akteure nicht mehr am Leben, niemand kann etwas zu diesen anonymen Bildern berichten. Erst im späteren Zwiegespräch und in der Betrachtung der Fotografien kann ich Spuren und Phänomene freilegen und sichern. Manchmal sind es Phänomene der Liebe, manchmal des Hasses.
Das Tableau verletzter Bilder, das Sie hier zusammengestellt haben, ist nicht einfach eine additive Kollektion von Bildbeispielen …
Bilder derselben Kategorie nur brav vorzuzeigen wäre doch einfach langweilig. Dieser Bildessay ist die bewusste Erweiterung der von mir erkannten Phänomene zu einer komplexen Argumentation mit und durch das Bild. Die verschiedenen Bilder sollen sich vernetzen, dabei die Thematik aufrollen, widersprüchlich sein und Fragen zum Gezeigten aufwerfen. Darin sehe ich die Aufgabe eines intelligenten Umgangs mit Fotografien.
Sie operieren, wie wir gehört haben, mit „verwaisten Bildern“. Das bedeutet, dass die biografischen Zusammenhänge Ihrer Fotografien weitgehend verloren gegangen sind. Das eröffnet für Sie neue Freiräume, oder?
Operieren ist ein gutes Stichwort. Denn als Bildoperateur schneide ich, wenn auch meist nur digital, ich untersuche, entferne, überlagere und vernähe wieder. Im Umgang mit den Bildern setze ich mir bewusst keine Grenzen, jedoch ist die Erlangung neuer Erkenntnisse mein permanentes Ziel. Ludwig Wittgenstein hat ja mal gesagt, „die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt“. Auf Bilder übertragen heißt das für mich, wie ich mit Bildern umgehe, wie ich sie wahrnehme und mit ihnen operiere, das markiert meine Geisteshaltung und verdeutlicht meinen Weltzugang. Grenzüberschreitendes, Freiräume suchendes Denken erscheint mir gerade im Umgang mit statischen Bildern als sehr wichtig. Und da sind die verwaisten Bilder ein ideales Ausgangsmaterial.
Als Künstler arbeiten Sie mit den Bildern, indem sie diese in neue Konstellationen bringen. Sie wählen Fotos aus, stellen neue Nachbarschaften her. Sie machen Gegenüberstellungen, manche Details heben Sie hervor, Sie vergrößern und machen sichtbar. Wie genau verläuft Ihr Arbeitsprozess, wie war das bei diesem Projekt?
Ich arbeite mit Fotografien, die nach allgemeiner Lehrmeinung kontextlos sind. Es gibt dazu meist keine, oder nur rudimentäre Hinweise was-wo-wie fotografiert ist. In vielen Archiven wäre dies ein Ausschlusskriterium. Denn dort erklärt der schriftliche Kontext das Bild. Vertraue ich aber dem Bild und seinen innerbildlichen Kontexten und begegne ihm mit Aufmerksamkeit und visueller Intelligenz, dann tun sich neue Wege des Umgangs auf. Mein Arbeitsprozess verläuft folgendermaßen: Zuerst sortiere ich die Bilder nach Phänomenen in sehr viele Unterkategorien ein. Dann habe ich z.B. 50 Bilder von Ähnlichem. Diese Ansammlung eins zu eins zu zeigen wäre möglich, aber sehr, sehr langweilig und geradezu unterkomplex und würde nur zu einer Erkenntnis erster Ordnung führen. Wir sind umgeben von medialen Ansammlungen dieser Oberflächlichkeiten. Nach meiner Überzeugung verlangen aber Intelligenz, Psyche, das Leben und die Wahrnehmung nach mehr. Deshalb muss ich Details vergrößern und so erst sichtbar machen, ich muss die Kategorien und Bildarsenale miteinander verschränken, muss für fruchtbaren Austausch sorgen und vor allem vielfältige Resonanzen schaffen.
Der klassische Archivar, die Archivarin betonen die dokumentarischen Qualitäten der Fotografie, sie versuchen Ort und Zeit, Handlung und Bedeutung möglichst eindeutig zu fixieren und zu beschreiben. Sie hingegen sehen sich als „Anti-Archivar“. Sie arbeiten ganz anders mit Bildern. Sie sprechen von „visueller Poesie“, lassen Bezüge bewusst offen …
Wie Sie schon sagen, versuchen klassische Archivare Bedeutungen möglichst eindeutig zu fixieren. Dadurch sind die Bilder schubladisiert, festgesetzt und auch gefangen. Ich hingegen rette sie, so wie auch die klassischen Archivare, vor ihrem Verschwinden. Dann aber versuche ich sie aus ihrer Anonymität zu befreien. Ich befrage sie und versuche ihr Potential in Verbindung mit anderen Bildern, durch Eingriffe und Erkenntnisse freizulegen und zu potenzieren. Denn die Stärke fotografischen Erzählens erreiche ich erst, wenn ich in die Tiefenschichten der Fotografien vordringe. Dort verbergen sich oft zarte visuelle Details die in Verbindung mit anderen Bildteilen einen visuellen Klang erzeugen, der im bewussten Zusammenspiel mit weiteren Bildklängen zur Partitur werden kann. Das nenne ich visuelle Poesie.
Eine besondere Rolle spielt bei Ihnen, finde ich, die Intuition, das intuitive Herstellen verborgener Zusammenhänge, die oft auf den ersten Blick nicht sichtbar sind.
Sie sind ein guter Beobachter. Philosophische und wahrnehmungspsychologische Aspekte des fotografischen Bildes beschäftigen mich seit langem. Wieso werde ich vom Blick einer vor mehr als 100 Jahren fotografierten Person in meinem Innersten bewegt? Es sind verborgene Zusammenhänge von ehemaligen Lichtstrahlen und Konstellationen, die eine Wirkung auf mich ausüben. Faszinierend! Magisch! Dieser Wirkung der fotografischen Bilder versuche ich auf die Spur zu kommen und in empathischen, intuitiven Prozessen zu ergründen. Jetzt drehe ich den Prozess um und versuche mit meiner Art der intuitiven Montage die Betrachterinnen und Betrachter in den Bann der Bilder zu ziehen, Fragen aufzuwerfen und dadurch Denk- und Empathieprozesse anzuregen.
Wir können annehmen, dass manche Verletzungen im Bild oft auf sehr starke Gefühle verweisen: Eifersucht, Hass, Rivalität, Enttäuschung. Haben die Bilder, die Sie untersuchen, Spuren dieser Gefühle aufbewahrt? Wie gehen sie mit den im Bild materialisierten Affekten um?
Ach, ich staune einfach, bin überrascht und versuche mir den Ursprung oder Ausgangspunkt der Veränderung vorzustellen. Es sind nie neutrale Standpunkte, die da deutlich werden. Es ist Emotionalität in die Bilder eingeschrieben und insofern wird das dokumentarische Bild zum psychischen Seismographen. Das ist faszinierend.
(...)
Das gesamte Gespräch mit Elmar Mauch lesen Sie in der gedruckten Ausgabe: Fotogeschichte, Heft 171, 2024: Verletzte Bilder
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