
Hanna Koch
Die Fotobildbände Paul Wolffs aus der Zeit des Nationalsozialismus. Ihr Beitrag zur Inszenierung einer genormten "Realität"
Veröffentlichungsform: Magisterarbeit – Institution: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br., Kunstgeschichtliches Institut, Prof. Dr. Angeli Janhsen – Einreichung/Abschluss: Mai 2007/Dezember 2007 – Art der Finanzierung: Privat – Kontaktadresse: Hanna_Koch(at)web.de
Erschienen in: Fotogeschichte 108, 2008
Paul Wolff (1887–1951) zählte in den 1930er und 1940er Jahren zu den großen Fotografen-"Stars" in Deutschland. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte er an seine Erfolge nicht anknüpfen, blieb jedoch als "Pionier der Kleinbildfotografie" in Fachkreisen in Erinnerung. Neben Industrie- und Modeaufnahmen, die als Auftragsarbeiten entstanden, veröffentlichte er zahlreiche Fotobildbände unter seinem Namen. Bekannt wurde er insbesondere durch sein Buch Meine Erfahrungen mit der Leica, das im Jahr 1934 erschien. Die Einschätzung seiner Rolle und seiner Person während des Dritten Reiches ist jedoch bis heute umstritten: sehen die einen in ihm einen geschäftstüchtigen Unpolitischen, so vertreten andere Autoren die Ansicht, er habe durch seine ästhetisch ansprechenden Aufnahmen dem nationalsozialistischen Regime gedient, indem er die Fiktion eines prosperierenden Landes unterstützte. Das Beispiel Paul Wolffs macht daher deutlich, dass die Auseinandersetzung mit populärer Gebrauchsfotografie aus der Zeit des Dritten Reiches noch viele Fragen aufwirft.
Vor dem Hintergrund dieser Problematik wählt die Magisterarbeit einen bislang in der Forschung wenig beachteten Blickwinkel, indem sie Wolffs Fotobildbände im Ganzen untersucht, statt sich ausschließlich auf das Einzelbild zu konzentrieren. Diese Bücher richteten sich in erster Linie an Fotoamateure. Paul Wolff trug mit seiner publizistischen Tätigkeit wesentlich zur Popularität der "Leica"-Kamera bei, indem er die Möglichkeiten des Kleinbildes an Beispielen aus dem Bereich der Freizeit, des Reisens und der Arbeitswelt demonstrierte und konkrete Anleitungen für den fotografierenden Laien bereithielt. In seinen Büchern wird der Eindruck von Mühelosigkeit und leichter Nachahmbarkeit vermittelt. Zugleich werden die oftmals sehr mondänen Motive als alltägliche vorgestellt und die sorgfältig inszenierten Sujets bewusst als authentische Abbilder der Wirklichkeit präsentiert.
Wolff war zu keinem Zeitpunkt seiner Karriere ein Avantgardist. Vielmehr bediente er sich verschiedener fotografischer Traditionen, die vom Neuen Sehen bis zur Heimatfotografie reichen. Dabei koppelte er bestimmte Gestaltungsmittel an feste Motive und schuf so Bildformeln von hohem Wiedererkennungswert für den Amateurgebrauch. Einzelfoto und Bildserie bleiben in seinen Büchern eng aufeinander bezogen. Bisweilen sind Wolffs Publikationen als regelrechte Bildgeschichten – oft in Form einer "Fotoreise" – angelegt. In Aufbau und Gestaltung weisen seine Fotobildbände bestimmte wiederkehrende Charakteristika auf, die in ihrer Zeit durchaus innovativ waren und Maßstäbe setzten. Die Magisterarbeit hinterfragt, inwieweit die Fotobildbände Paul Wolffs auf diese Weise eine Weltsicht etablierten, die den nationalsozialistischen Wertvorstellungen und den konkreten Erwartungen der Machthaber an professionelle Fotografen und Amateure entsprach. Sie berücksichtigt sowohl die historische Entwicklung des Fotobuches, als auch Wolffs Karriere vor 1933 und nach 1945 im Hinblick auf die Frage nach Kontinuitäten und Brüchen.
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