
Bücher, kurz vorgestellt
Erschienen in Fotogeschichte 156, 2020
- Lucia Moholy: Fotogeschichte schreiben, Köln: Museum Ludwig, 2020. Mit einem Beitrag von Miriam Szwast. Publikation zur gleichnamigen Ausstellung im Museum Ludwig, 12. Oktober 2019 bis 2. Februar 2020 (Bd. 2 der Reihe „Sammlung Fotografie / Museum Ludwig“, hg. von Miriam Szwast), 32 S. (inkl. Bildteil), 20,8 x 14,5 cm, Abb. in Farbe und S/W, kartoniert, ISBN 978-3-9821480-0-7, erhältlich um 8 Euro in der Museumsbuchhandlung: info(at)museum-ludwig.de
„Im Museum Ludwig ist Lucia Moholy nicht mehr ein Name aus den Fußnoten der Bauhausgeschichte, sondern bereichert das Bauhaus zu seinem 100-jährigen Bestehen um ein aufregendes Kapitel.“ So urteilt Gürsoy Doğtaş am 20. Oktober 2019 in der Süddeutschen Zeitung. Die kleine Ausstellung im Museum Ludwig hatte ein enormes Medienecho zur Folge, gewiss war dieses der Bauhauseuphorie im Jubiläumsjahr 2019 geschuldet, aber nicht zuletzt auch der Tatsache, dass diese kleine Schau scheinbar festgefahrene „Wahrheiten“ über die Bauhauszeit und deren ProtagonistInnen in Frage stellte – und eine weibliche Perspektive auf die Zeit der Avantgarde vorschlug. Lucia Moholy (1894–1989), die lange Zeit im Schatten ihres zeitweiligen künstlerischen Gefährten und Ehemannes László Moholy Nagy stand, erhält in der Schau und in dem nun nachgereichten Katalogheft ihr eigenes Profil. Im Mittelpunkt steht ihr Buch A Hundred Years of Photography 1839–1939, das 1939 im englischen Exil bei Penguin Books erschien. Dieses schmale Taschenbuch war ein veritabler Erfolg und verkaufte sich 40.000 Mal. Als Referenzwerk für die sich herausbildende Fotografiegeschichte jenseits einer trockenen Technikgeschichte war dieses Buch in vielerlei Hinsicht relevant, eben, weil es die Fotografie in einen gesellschaftskritischen und in einen künstlerischen Zusammenhang stellte. Dennoch wurde es in der Fotoszene und auch in der akademischen Fotogeschichtsschreibung (mit einigen Ausnahmen) lange Zeit kaum wahrgenommen. Anhand wichtiger biografischer Dokumente schafft es Szwast, Leben und Werk der Fotografin, Fotohistorikerin, Journalistin, Künstlerin, Filmerin Lucia Moholy prägnant aber anschaulich zu beleuchten und auch weniger bekannte Querverbindungen, etwa zu Erich Stenger, aber auch zu Lászlo Moholy-Nagy, zu erschließen. Lesenswert!
- Andreas Nierhaus: Ein Architekt als Medienstratege. Otto Wagner und die Fotografie, Wien, Salzburg. Fotohof edition, 2020 (Bd. 19 der „Beiträge zur Geschichte der Fotografie in Österreich“, hg. von Monika Faber und Walter Moser), Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Photoinstitut Bonartes, 22. Januar bis 30. April 2020, 178 S., 21,5 x 21 cm, zahlreiche Abb. in S/W und Farbe, kartoniert, 19,90 Euro.
Ob Otto Wagner selbst fotografierte, ist bis heute nicht ganz geklärt. In der 2. Auflage seines viel diskutierten und in seiner Zeit umstrittenen Werkes Moderne Architektur (1898) reklamierte er für sich, dass die im Buch publizierten „Clichés“ „von mir nach meinen Arbeiten“ hergestellt wurden. In den folgenden Ausgaben baute er die fotografische Bebilderung seiner Schrift sukzessive weiter aus. Wie auch immer man die Frage, ob die Aufnahmen von Otto Wagner selbst stammen, auch beantwortet – eines ist sicher: dass Wagner ein überaus geschickter Medienarbeiter in eigener Sache war: Er bediente sich, das zeigt Andreas Nierhaus in seinem Band Ein Architekt als Medienstratege. Otto Wagner und die Fotografie, aller zeitgenössischen Medien, um seine architektonischen Ideen, seine Bauten, aber auch sein eigenes Lebensumfeld (nicht aber seine Person), ins Licht einer großen Öffentlichkeit zu bringen. Er bot dazu die Zeichnung auf, das klassische Architektur-Medium des 19. Jahrhunderts, nach 1900 aber in zunehmendem Maße auch die Fotografie. Damit verbunden, bediente er illustrierte Zeitungen, Journale, Broschüren und Buchpublikationen mit Fotos. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg stand Wagner auf dem Höhepunkt seines Ruhmes und am Zenit seiner Bautätigkeit. Er starb kurz vor Kriegsende 1918. Mehr als 300 Fotografien hat Wagner im Laufe seines 30-jährigen Schaffens in die Öffentlichkeit gebracht, um sein Werk zu popularisieren. Der unmittelbare Nachruhm fiel freilich, trotz dieses propagandistischen Aufwands, erstaunlich bescheiden aus. Nach 1918 wurden er und sein Werk von den neuen Generationen der Avantgarde rasch verräumt. Die Glorie, die die Fotografie vermitteln wollte, geriet ebenfalls in Vergessenheit.
- Cora Waschke: Lichte Wechselspiele zwischen Fotografie und Neuem Bauen. Transparenz und Reflexion, Berlin: Reimer Verlag, 2020, 330 S., 24 x 17 cm, zahlreiche Abb. in S/W, gebunden, 49 Euro.
Transparenz, Spiegelung und Glanz – das sind die Effekte, die die moderne Architektur der Zwischenkriegszeit hervorbrachte. Dauerhaft zur Geltung kamen diese Effekte vor allem in der modernen Architekturfotografie der Zwischenkriegszeit, die sich die experimentellen Spiegelungen, verursacht nicht zuletzt vom Baustoff Glas, auf meisterhafte Weise zunutze machte. Die Autorin untersucht in ihrem Werk, das aus ihrer kunsthistorischen Dissertation an der Universität Hamburg (Prof. Monika Wagner) hervorgegangen ist, das Wechselspiel zwischen der neuen gläsernen Architektur und der modernen Architekturfotografie. Die vorliegende Studie trägt – in Zugang, Terminologie und Gliederung – sehr deutlich die Züge einer akademischen Abschlussarbeit. Das erschwert die Lesbarkeit deutlich. Dennoch: Viele Gedanken über die gläserne Epoche der Moderne sind überaus anregend. Schade nur, dass das argumentativ eingesetzte Bildmaterial in einem sehr schlechten Zustand wiedergegeben ist: viel zu kleine Abbildungen, unscharf abfotografierte Zeitungsseiten, schief ausgerichtete, brutal beschnittene Bilder und vieles Ähnliche mehr. Das ist schade, denn diese Schlampigkeit im Umgang mit Bildern mindert den Wert der Publikation ganz erheblich. Und noch etwas gibt zu denken: der zeitliche Horizont der Studie umfasst dem Anspruch nach die 1920er und 1930er Jahre. Aber die Rolle des Nationalsozialismus spielt in der Analyse keinerlei Rolle, ganz so als ob die Avantgarde geradezu passgenau mit der Ankunft des neuen Regimes zu Ende gegangen wäre. Aber das stimmt bekanntlich nicht. Transparenz, Spiegelung und Glanz finden auch noch in der NS-Architektur ihren Platz, wenn auch eingeschränkt, ebenso eine – zumindest teilweise – modern anmutende Architekturfotografie. Dieser Übergang der modernen Architektur von den 1920er Jahren hin zur NS-Architektur der 1930er Jahre und ihre sich ändernde fotografische Dokumentation sind Teil der untersuchten Thematik und hätten unbedingt erörtert gehört.
- Eine Schatztruhe der frühen Meiji-Zeit. Michael Moser und seine photographischen Arbeiten aus Japan, hg. von Peter Pantzer und Nana Miyata, München: Iudicum Verlag, 2019, 343 S., 23 x 15,5 cm, Abb. in Farbe und S/W, gebunden, 39 Euro.
Als der Fotohistoriker Gert Rosenberg im fernen Jahr 1984 eine Publikation über den Welt- und Forschungsreisenden Wilhelm Burger (1844–1920) vorlegte, kam er darin auch auf Michael Moser zu sprechen, den Bauernsohn aus der steirischen Provinz, der eine erstaunliche fotografische Karriere machen sollte. Als 14-Jähriger folgte er im Jahr 1867 dem renommierten Fotografen Burger nach Wien, absolvierte bei ihm eine Ausbildung zum Fotografen. Ein Jahr später, 1868, reiste er zusammen mit Burger nach Japan. Er kehrte nicht mit seinem Förderer zusammen nach Wien zurück, sondern ließ sich in Japan nieder. Ihn faszinierte die japanische Gesellschaft, er hielt sich zunächst mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser und arbeitete dann jahrelang als Fotograf – mit Zugang zu den höchsten adligen Kreisen bis hin zum Kaiser. Es war eine fulminante Karriere. Erst Anfang 1877 kehrte er nach Österreich zurück und eröffnete 1880 ein Fotoatelier im heimatlichen Bad Aussee. Jahrzehntelang war nur dieses biografische Grundgerüst über Moser bekannt, dazu etliche Fotos, die aus der japanischen Periode überliefert sind. Vor etlichen Jahren sind im Geburtshaus Mosers in Altaussee neue, bisher unbekannte Fotos dieser frühen Expedition aufgetaucht. Im vorliegenden Band werden diese Bilder abgedruckt. Im Zentrum steht aber die Transkription der überlieferten Tagebücher und Briefe Mosers, die neues Licht auf diese abenteuerliche Biografie werfen. Spannend sind diese – kundig kommentierten und eingeordneten – Dokumente auch deshalb, weil sie wichtige autobiografische Zeugnisse aus der Frühzeit der Fotografie beinhalten. Sie erhellen nicht nur das Erwachsenwerden eines Bauernburschen, sondern veranschaulichen auch die Wahrnehmung der Fremde. Und schließlich illustrieren sie sehr plastisch die fotografische Tätigkeit in den späten 1860er Jahren.
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