Evelyn Runge
Image Capture
Arbeits- und Produktionsbedingungen von Fotojournalisten im digitalen Zeitalter
Finanzierung: Forschungsstipendium der Martin Buber Society of Fellows in the Humanities and Social Sciences, The Hebrew University of Jerusalem, Israel (Stiftungsfonds des deutschen Bundesministeriums für Bildung und Forschung). Beginn: Oktober 2015. Kontakt: mail(at)evelyn-runge.de
Erschienen in: Fotogeschichte, Heft 138, 2015
Seit 1989 hat sich ein globaler Markt der Bilder etabliert, der von der Digitalisierung profitiert. Die Gründungen der mittlerweile weltgrößten Bildagenturen Getty Images und Corbis fällt in diese Zeit. Ihre Gründer Mark Getty und Bill Gates haben früh erkannt, welche Potenziale das Internet für den Bildermarkt bietet: schnellere Produktion, schnellere Distribution, Ausweitung der eigenen Angebote in Bewegtbildformate, Illustrationen, Musik und vieles mehr. Die seither fortschreitende Angleichung visueller Ästhetik vor allem im Bereich der Stock Photography ist von Paul Frosh (2003) und Wolfgang Ullrich (2006) untersucht worden. Matthias Bruhns (2003) und Estelle Blaschkes (2011) Arbeiten befassen sich mit Organisationsstrukturen und der Unternehmensgeschichte von Bildagenturen.
Mit den Entscheidungsstrukturen in Fotoredaktionen der AFP hat sich Zeynep Devrim Gürsel in ihrem Aufsatz „The politics of wire service photography“ (2012) auseinandergesetzt. Einer Analyse von Machtverhältnissen, die durch fotografische Repräsentation – speziell Nachrichtenfotografie – entsteht, sollte ethnografische Feldforschung von Arbeitspraktiken vorangehen, so Gürsel. Die 2015 an der Universität Erfurt abgeschlossene Dissertation von Felix Koltermann untersucht „Fotojournalistisches Handeln in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten“. Sie legt ihren Schwerpunkt auf israelische, palästinensische und internationale Fotoreporter und deren Produktionskontexte aus Sicht der Kommunikationswissenschaft und der Friedens- und Konfliktforschung.
Die Erforschung der Arbeits- und Produktionsbedingungen von Fotojournalisten wurde bisher vernachlässigt, eventuell, weil sie Zeit voraussetzt, auch um Akteure für Interviews zu gewinnen. Nur sporadisch in den Blick nehmen die vorliegenden Arbeiten zudem das Verhältnis von professioneller und Amateur-Fotografie. Dabei transformiert die Digitalisierung die fotografische Medienpraxis nicht nur auf institutioneller, sondern auch auf individueller Ebene. Das Forschungsprojekt „Image Capture“ bezieht unterschiedlichste Akteure in die Untersuchung ein: professionelle Fotografen, Fotojournalisten, Amateure an der Schnittstelle zu (semi-)professioneller Fotografie, Mitarbeiter von Agenturen und Fotoredakteure. Bisherige Berufsbilder ändern sich, etwa durch die Aufbewahrung und Verwendung von Bildern in Social Media-Netzwerken, aber auch durch selbständige Professionalisierung von Amateuren. Für sie hat die Digitalisierung Chancen eröffnet, in den globalen Markt der Bilder einzusteigen. Zugleich geraten Fotojournalisten vermehrt unter Druck, beispielsweise durch sinkende Preise sowie die Konkurrenz von Laienfotografen: Diese sind mitunter auf dem globalen Bildermarkt sehr erfolgreich, und teilweise sogar in hochpreisigen Bildagenturen präsent – sowohl im Bereich der Stock Photography als auch im Bereich der journalistischen Fotografie.
Selbst große Agenturen wie Getty Images und Corbis scheinen Foto-Plattformen, die zunächst als Communities für Laien gegründet wurden, als Rivalen wahrzunehmen. Ein Beispiel dafür ist die Kooperation zwischen Getty Images und Flickr: Getty Images hatte durch die Entwicklung der so genannten Flickr-Collection von 2008 bis 2014 fotografisches Laienmaterial in ihr Angebot integriert. Und im März 2014 kündigte die Agentur an, nicht-kommerziellen Blogs Bild-Material zur Verfügung zu stellen – honorarfrei, aber im Tausch gegen Daten. Die Währung Aufmerksamkeit, belegt durch Klickzahlen, wird immer wichtiger.
Anhand dieser und anderer Beispiele untersucht „Image Capture“ übergeordnete Fragen wie: Was bedeuten Transformationen durch den digitalen Medienwandel für Bildsprachen und visuelles Storytelling? Wie wirken sie sich auf Infrastrukturen, Hierarchien und Wahrnehmung aus? Wie ändern sich Preisstrukturen und medienökonomische Modelle auf dem Bildermarkt? Welche Auswirkungen und konkrete Anforderungen stellt dies an das Berufsbild Fotojournalist – und wie mediale Repräsentationen, etwa in Museen und Dokumentarfilmen?
Ausdrücklich erwünscht ist die Kontaktaufnahme von Fotografen, Fotojournalisten, Fotoproduzenten und Fotoredakteuren, die für Interviews zur Verfügung stehen.
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