Bücher, kurz vorgestellt
Erschienen in: Fotogeschichte 118, 2010
Siegfried Giedion ist als Kunst-, Architektur- und Kulkturhistoriker weithin bekannt. Seine Rolle als Fotograf hingegen ist, wenn man von einigen wenigen Beispielen wie seinem eigenhändig illustrierten Band Befreites Wohnen (1929) oder seiner Präsenz als Fotograf auf der berühmte FiFo 1929 absieht, wenig bekannt. Der Band ist das überaus gelungene Ergebnis eines mehrjährigen Forschungsprojektes, das den Nachlass Giedions (ETH Zürich) unter dem Aspekt der Fotografie zum Thema hatte. Die durchwegs fundierten Aufsätze zeigen, wie intensiv sich Giedion seit Mitte der 1920er Jahre in der Praxis aber auch in seiner Denkweise der Fotografie bedient hat.
379 „Meisterwerke der Photographie“ (so der Verlag) stellt der Autor in diesem Buch vor. Den Bildern sind jeweils kurze Texte beigestellt. Auf diese Weise entsteht ein seltsamer Schnelldurchlauf durch die Fotogeschichte: Wie eine Diaprojektion mit ein paar launigen, sehr oft oberflächlichen Kommentaren. Wer das Buch als Nachschlagewerk nutzen will, wird enttäuscht sein. Wer es von Anfang an lesen will, ebenfalls. Kurz: ein merkwürdiger und eigentlich ziemlich überflüssiger Band.
Im Jahr 2008 erwarben die Schweizerischen Landesmuseen jenen Teil der Fotosammlung Herzog, der sich mit der Schweiz beschäftigt. Aus diesen Beständen wurde 2009/2010 in Zürich eine Ausstellung zusammengestellt, die die eidgenössische Geschichte in faszinierenden, teilweise noch nie gezeigten Bildern zeigt. Der begleitende Katalog ist leider ein wenig zu leichtgewichtig geraten: viele schöne Bilder, dazwischen ein paar feuilletonistische Texte, aber wenig Hintergrund. Vielleicht wäre es besser gewesen, die Fotosammlung zuerst ordentlich zu erforschen und dann erst eine fundierte Publikation vorzubreiten.
Das Bergbau-Archiv Bochum verwahrt über 100.000 Fotografien zum Thema Bergbau im Ruhrgebiet. In diesem Band wird eine Auswahl davon vorgestellt. In einem einleitenden Beitrag beschäftigt sich der Autor mit der Geschichte der Werksfotografie im Ruhrgebiet. Gegenüber der umfassenden Publikation von Sigrid Schneider (Hg.): Schwarzweiss und Farbe. Das Ruhrgebiet in der Fotografie, Essen 2000, bietet der Band, außer einer Reihe von unveröffentlichten Bildern, wenig Neues. Leider liegen zu den meisten Fotos keine Hinweise zu den Fotografen bzw. zum engeren Kontext der Aufnahmen vor.
Elmar Mauch, Dozent an der Zürcher Hochschule der Künste, hat bereits eine Reihe von eigenwilligen Künstlerbücheren vorgelegt. In seinem jüngsten Werk beschäftigt er sich mit anonymen Privatfotos, die er über Jahre hinweg gesammelt und gesichtet hat. In seinem Band Bewohner haucht er diesen anonymen Bildern neues Leben ein: Nicht indem er zu ihren verschollenen Ursprüngen zurückkehrt, sondern indem er sie in der Jetztzeit zu Geschichten verbindet. Er beschneidet die Fotos, ordnet sie neu und lässt – oft über den Buchfalz hinweg – spannende Assioziationsketten entstehen.
Der Band stellt die bislang kaum bekannten Schweizer Fotoreporter und Reisefotografen Margrit und Ernst Baumann (geb. 1929 und 1928) in einem aufwändig und sorgfältig gestalteten Bildband vor. Ihre Reportagen – unter anderm über Russland, Südamerika, Kuba, den nahen und den fernen Osten – erschienen in illustrierten Zeitungen wie Newsweek, Sie und Er, NZZ oder im Brückenbauer. Das Buch zeigt, quasi nebenbei, wie das jorunalistische Arbeiten mit Fotografie ab den 1960er Jahren, als das Fernsehen in Konkurrenz zu den Illustrierten trat, schwieriger wurde.
Als die österreichische Fotografin Inge Morath 1949 der Fotoagentur Magnum beitrat, arbeitete sie vor allem für große Magazine wie LIFE, Holiday oder Paris Match, die in den 1950er Jahren immer stärker auf die Farbfotografie setzten. Morath passte sich dieser Tendenz an und fotografierte regelmäßig in Farbe, 1953 entstanden in England ihre ersten Farbreportagen. Der Band stellt ihre Arbeiten in Farbe vor, leider ist die Einleitung von Mary Panzer, die nicht mehr als acht Seiten umfasst, ein wenig oberflächlich geraten. Eingehendere Nachforschungen über Entstehungszusammenhänge und die Verwendung der Bilder in der zeitgenössichen Presse wurden nicht angestellt.
Bernd Stiegler ist nicht der erste Fotoforscher, der eine Sammlung klassischer Texte zur Fotografie zusammengestellt hat. Seine Zusammenstellung erscheint jedoch in der preisgünstigen Reclam-Ausgabe – das sollte für weite Verbreitung sorgen. Sie birgt inhaltlich zwar kaum Überrasachungen, aber dafür ist das Büchlein solide gemacht. Die Texte (oft in gkürzter Version) sind nach Themen geordnet, die jeweils mit einer Einleitung versehen sind. Ein Literatur-, Quellen- und Autorenverzeichnis ergänzt der Band, der sich sehr gut für den Unterricht eignet.
Der in Dresden geborene und seit 1888 in Innsbruck und Umgebung lebende Heinrich Kühn (1866-1944) gehörte um die Wende zum 20. Jahrhundert zu den Pionieren der kunstfotografischen Richtung. Diese wollte sich von der Berufsfotografie ebenso absetzen wie von der Welt der Knipser. Der sorgfätig gestaltete und recherchierte Band zeigt unter anderem, wie beharrlich Kühn seine teuren und elitären Passionen einer „vollkommene“ Lichtbildnerei verfolgte, nämlich bis weit in die Zwischenkriegszeit hinein, als der Piktorialismus längst anachronistisch geworden war.
Ein Sammelband, der das Verhältnis von Zeit und Fotografie aus diversen theoretischen Blickwinkeln und entlang diverser Bildbeispiele verfolgt. Die qualitativ sehr unterschiedlichen Beiträge stammen u.a. von Grahahm Smith, Victor Burgin, David Green und Maren Polte, das Anschauungsmaterial reicht von Talbot bis Flickr. Leider sind die Abbildungen teilweise etwas dürftig gedruckt.
„Der Architektur- und Industriefotograf Max Krajewsky (1892–1972) begleitete mit seiner Kamera über 50 Jahre die Entstehung zahlreicher Berliner Bauten.“ (Aus dem Klappentext). Der Band stellt den Bildbestand des Fotografen, der im Deutschen Technikmuseum in Berlin aufbewahrt wird, in einer schmalen Auswahl vor. Die ersten Aufnahmen entstanden in den 1920er Jahren, die letzten in den 1960er Jahren. Krajewsky hat Berlin über alle historischen Brüche hinweg dokumentiert, er war seit dem 1.5.1933 NSDAP-Mitglied und fotografierte auch während des Krieges munter weiter.
Eine theoriegesättigte, ganz im Duktus universitärer Referenzen gehaltene Habilitationsschrift, der für die Publikation ein gehöriges Maß Lektorat und sprachlicher Überarbeitung gut getan hätte. Das Thema, die historische Entstehung des Autorenfotos, wäre an sich spannend, aber es verliert sich in den wuchernden Wendungen einer abgehobenen Wissenschaftssprache. Wie wenig Anliegen dem Autor die Bilder sind, zeigt ihre Präsentation: Miniformate, teils in miserabler Qualität, die nicht mehr als Zitatcharakter haben.
Das Buch, das begleitend zu einer Ausstellung im Fotomuseum Winterthur und in der Whitechapel Gallery in London erscheint, bahnt einen Weg durch eineinhalb Jahrhunderte Fotografie in Indien, Pakistan und Bangladesh. Diesem umfassenden Konzept ist es geschuldet, dass die Fotografinnen und Fotografen jeweils nur mit einigen wenigen Bildern vorgestellt werden. Der rasante Gang durch die Jahrzente lässt die Besucher neugierig, aber auch etwas ratlos zurück. Eine stärkere Fokussierung und Vertiefung der Themen wäre interessanter gewesen.
Wie sehr der Film Stadtbilder mitbestimmen und Filmkulissen sich umgekehrt aus dem Fundus bekannter oder unbekannter Stadtbilder bedienen, das zeigt dieser Band sehr anschaulich. Der Katalog ist anlässlich einer Ausstellung im Wien Museum entstanden, es ist ein Wien-Führer der anderen Art geworden: assoziativ, bildreich, immer wieder überraschend.
Der Band stellt die Stadt Amsterdam in der frühen Fotografie vor. Der ausgezeichnet gedruckte und gestaltete Bildband (niederländisch/englisch), der sich an ein breites Publikum wendet, aber dennoch historische Genauigkeit und kulturhistorischen Weitblick bewahrt, ist begleitend zu einer Ausstellung imn Staatsarchiv Amsterdam entstanden. Er zeigt, dass neugierige Archivarbeit und wegweisende Präsentation sehr wohl Hand in Hand gehen können.
Die seit 1996 in Paris erscheinende Zeitschrift ist eine wichtige und sehr gut gemachte Fachzeitschrift im Bereich der Fotografie/Geschichte. Bisher war sie bisher weitgehend auf den französischsprachigen Raum beschränkt. Seit Mai 2010 (Heft 23) erscheint sie zweisprachig: französch und englisch. Es ist zu wünschen, dass sie auf diese Weise ihre Reichweite deutlich ausdehnen kann.
Eine opulente Festschrift in eigener Sache: Seit 1979 gibt es das Bielefelder Fotosymposion, ausgerichtet vom Studien- und Forschungsschwerpunkt Fotografie und Medien der Fachhochschule Bielefeld. Das Buch ist ein opus magnum gesammelter (leider wenig bis gar nicht redigierter) Vortragskunst. Der Zickzackgang durch die Fotografiegeschichte und ihre wechselnden zeitgenössischen Bedeutungen ist keine leichte Kost. Zu unterschiedlich ist die Qualität der Texte, zu heterogen sind Bezugspunkte und Argumentation. Schade, dass die Bilder in Briefmarkenformat in die Randspalte verbannt wurden, wie das in der Bildwissenschaft oft so üblich ist.
Der Titel spannt den inhaltlichen Bogen dieses Bandes sehr weit auf, entsprechend lose ist der Zusammenhalt der Bilder und schwankend der Gang durch die Geschichte, den sie vorschlagen. Aber vielleicht sollte man das Buch ganz anders nutzen: nämlich als üppig illustriertes Bestandsverzeichnis der Fotosammlung am DHM in Berlin. Dann ist es überaus brauchbar. Ein ausführliches biografisches Verzeichnis im Anhang, ein Abbildungsverzeichnis, das – zusammen mit den Bildern – einen guten Einblick in wichtige Fotobestände gibt und ein Register bieten sehr gute Handreichungen, um sich einen Überblick über die Fotosammlung des Museums zu verschaffen.
Eine Studie zum Frauenbild der 1920er Jahre. Die „neue Frau“, die in Magazinen und Zeitschriften auftaucht, spielt, so will es die herkömmliche Meinung, mit der Ambivalenz zwischen männlichen und weiblichen Rollen, sie kann das herbe Girl ebenso verkörpern wie die wehrhafte Amazone, die hysterische Kindfrau und auch die kraftvolle, schlanke, gebräunte Sportlerin. Doch diese Bilder, so die Autorin, bilden nur die eine Seite der Medaille. Die Realität bestand nicht aus Glanz und Glamour. Am Beispiel von Frauenbildern aus Modejournalen nach 1912 zeigt Follmann, wie sehr die „neue Frau“ eine Mischung zwischen Realität und Projektion ist, ein Idealbild, das auf handfeste wirtschaftliche und soziale Interessen zurückgeht – und das die Frauen oft überforderte.
2007 wurde der Schweizer Ballonpionier Spelterini (1852–1931) in Form eines großformatigen Bildbandes wiederentdeckt (Eduard Spelterini. Fotografien des Ballonpioniers). Nun wird, ebenfalls im Verlag Scheidegger&Spiess, ein zweiter, bisher unbekannter Teil seines bildlichen Nachlasses, für ein breites Publikum zugänglich gemacht, seine kolorierten Lichtbilder. Spelterini, der ein spektakuläres Leben zwischen Schaustellergewerbe und Forscherdrang führte, zog mit seinem Heißluftballon um die halbe Welt und stellte seine Ballonreisen immer wieder der Öffentlichkeit vor. Der Band präsentiert an die 80 kolorierte Lichtbilder, die Spelterini für seine mehr als 600 Vorträge in zahlreichen Ländern verwendete.
Eine Reise nach New York in Bildern: der opulente, über 500 Seiten umfassende, hervorragend gedruckte Bildband zeigt in über 900 Postkartenbildern auf den ersten Blick eine Stadt, die wir zu kennen glauben. Keine der Sehenswürdigkeiten fehlt. Und dennoch: Bei genauerem Hinsehen wird deutlich, wie sehr sich New York real und auch im Spiegel des populären Bildmediums veränderte. Während die Bildpostkarte kurz nach 1900 ein überaus breites Repertoire an Themen und Sujets vermittelte, wird der Strom der Bilder ab den 1920er Jahren schmaler und konzentrierter. In der Überlagerung zeitlich versetzter Blicke betreibt das Buch – gewissermaßen nebenbei – eine spannende Archäologie des New Yorker Stadtbildes. Es ist konsequent, dass nicht eine strikte Chronologie den Band beherrscht, sondern dass die Postkartenblicke verdichtet nach Orten, Bauten und Themen präsentiert werden.
In 29 kurzen Aufsätzen und in einem breit angelegten Bildteil spürt diese Publikation der Foto- und Kulturgeschichte des Künstlers nach. Zoomartige Detailstudien stehen neben kurzen Überblicksdarstellungen, die Palette der Themen ist breit, fast zu breit: sie reicht vom Künstlerporträt bis zur Maskerade, vom Tableau vivant bis zum Dandy. Der zeitliche Bogen erstreckt sich von Bildern der frühen 1840er bis in die 1920er Jahre. Der Band ist eine Fundgrube für weitere Recherchen. Und – nach den großangelegten Ausstellungen „Silber und Salz“ (1989) und „Alles Wahrheit, alles Lüge! “ ( 1996) – ein weiterer Baustein einer Kulturgeschichte der Fotografie, zusammengestellt aus dem reichen Foto-Fundus des Museum Ludwig.